Ist das nicht eine Frage, die gerade wir Frauen uns häufiger stellen? Beim Bummel durch Bekleidungsabteilungen, beim Stöbern in Stoffgeschäften, beim Surfen im Internet nach dem richtigen Stoff für das nächste Projekt.
Umso gespannter war ich, als bei lüneburgnäht2018 eine Farbberatung angeboten wurde. Es war allerdings eher eine Art Speed-Dating, also eine erste Kontaktaufnahme mit dem Thema Farbberatung, denn für eine tiefergehende Beratung war keine Zeit. Jede Teilnehmerin konnte für kleines Geld einmal auf dem Stuhl am Fenster vor dem Spiegel Platz nehmen und sich über die Farben aufklären lassen, die ihr am besten stehen würden. Publikum war dabei erwünscht, so dass ich einiges gelernt habe. Zum Beispiel teilt man die Farbtypen nicht mehr nach Jahreszeiten ein, weil die laut Farbberaterin gerne mal zu Verwirrung geführt haben, denn manche Menschen dachten, wenn sie im Frühling Geburtstag hätten, müssten sie zwangsläufig auch ein Frühlingstyp sein.
Heutzutage gibt es die Farbtypen kalt und warm und in diesen Kategorien wird noch einmal nach hell, mittel und dunkel unterschieden. Hinzu kommen die Mischtypen aus der Kategorie warm-kalt, ebenfalls in hell, mittel und dunkel. Zur Bestimmung des Farbtyps werden drei Merkmale herangezogen:
- Farbe der Haut am inneren Unterarm (eigentlich erstaunlich, denn später wurde die Wirkung der Farbe auf das Gesicht geprüft und zumindest bei mir unterscheiden sich Unterarm- und Gesichtsfarbe erheblich)
- Farbe der Haare (im Naturzustand, bei gefärbten Haaren wurde am Haaransatz nach der Ursprungsfarbe gefahndet)
- Farbe der Augen.
Die meisten Menschen in Deutschland haben eine kalte Hautfarbe, sagte die Farbberaterin. Und so fanden sich viele der Teilnehmerinnen auch gleich insgesamt in der Kategorie „kalt“ wieder. Mit Hilfe von Farbtüchern wurde dann die „Farbsättigung“ (hell, mittel, dunkel) bestimmt. Verschiedene farbige Tücher der verschiedenen Sättigungsspektren wurden übereinandergelegt und dann jeweils die obere Schicht weggezogen, wobei wir darauf achten sollte, welche Veränderungen dabei im Gesicht stattfinden, z.B. ob die Nasolabialfalten deutlicher zu Tage treten oder abgemildert wurden, ob die Augen mehr leuchteten, ob die Haut klarer aussah.
Bei einigen Teilnehmerinnen gab es deutliche Aha-Effekte, bei anderen fand ich die Wirkung weniger eindeutig. Die Farbberaterin dozierte derweil unermüdlich über Farben und Wirkung und dass man demnächst genau auf die Nuancen aus dem Farbpass (konnte man für etwas größeres Geld erwerben) achten sollte, um umwerfend auszusehen. Auch die Unsitte, Haare zu färben und nicht zu seiner Naturhaarfarbe zu stehen, fand nicht unbedingt Gnade vor ihren Augen.
Ich hab übrigens die Farbberatung nicht mitgemacht, sondern nur Mäuschen gespielt (obwohl sie von meinen ungefärbten Haaren sicher begeistert gewesen wäre). Denn vor etlichen Jahren habe ich mir bereits schonungslos von meiner Freundin sagen lassen müssen, welche Farben ich absolut vermeiden sollte. Und das kam so: Ich trug damals diesen kuschelweichen tomatenroten Rollkragenpullover und am nächsten Tag einen Pullover in meiner Lieblingsfarbe Orange, als meine Freundin deutlich (eine beste Freundin darf sowas) darauf hinwies, dass diese Farben meinem Gesicht überhaupt nicht schmeichelten, eher im Gegenteil meine ohnehin zur Röte neigenden Wangen (Rosacea lässt grüßen) noch betonten.
Wir wühlten daraufhin in ihren Stoffkisten und probierten viele Farben und ihre Wirkung auf mein Gesicht aus mit dem Ergebnis, dass ich fortan alle Rot- und Orange- und Gelbtöne aus meinem Kleiderschrank verbannte (na ja, fast jedenfalls, manchmal ist ein Stoff einfach zu schön).
Zum Glück mag ich auch Grau und alle Wasserfarben wie Türkis und Petrol, so dass der Schmerz nicht zu groß war. Allerdings schleicht sich doch ab und zu noch ein Orangeton in meine Garderobe, sei es in einem gemusterten Schal oder in einem Oberteil, dessen Wirkung auf meine Nasolabialfalten ich dann notfalls mit einem grauen Loopschal mildere.
Insofern bilde ich mir ein, keine Farbberatung mehr zu brauchen. Außerdem finde ich, dass Farbe nicht alles ist. Ich muss mich auch wohlfühlen in dem Schnitt und dem Stoff, dessen Haptik für mich wichtig ist. Denn nur wenn ich mich wohl fühle, strahle ich auch etwas aus und das schafft eine Farbe nicht allein, jedenfalls nicht bei mir.
Diese Erkenntnis hat sich für mich durch die Farbberatungen bei lüneburgnäht2018, bei denen ich zuschauen durfte, bestätigt. Denn an unserem Nähtisch saß eine toll gekleidete Frau, die mir schon im Jahr vorher aufgefallen war, weil ihre Kleidung so stimmig mit der Person war. Bei der besagten Farbberatung kam jedoch raus, dass sie komplett die falschen Farben trägt. Wobei natürlich bei der Bestimmung des Farbtyps die Naturhaarfarbe eine Rolle gespielt hat. Nur hat sie – durchaus gelungen in meinen Augen – bei der Haarfarbe etwas nachgeholfen.
Weil ich jedoch die Frau so sehe, wie sie vor mir steht und nicht darüber nachdenke, welche Haarfarbe sie denn wohl ursprünglich hatte, finde ich ihre Kleidung sehr gut auf ihr derzeitiges Aussehen abgestimmt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in den ihrem Farbtyp entsprechenden Farben besser aussehen würde (vielleicht belehrt sich mich beim nächsten lüneburgnäht eines Besseren). Ihre Nasolabialfalten sind mir jedenfalls nicht in Erinnerung geblieben, eher ihr Lachen und ihre warme Fröhlichkeit und die schicken Oberteile, die sie trug.
Mein persönliches Fazit: Ich finde eine Farbberatung als Hinweis gut, möchte mich aber nicht dem Dogma des Farbpasses unterwerfen, sondern weiterhin Stoffe kaufen, die mir gefallen. Auch wenn sie meinem Gesicht vielleicht nicht so schmeicheln, wie es eine andere Farbe getan hätte.
Mit diesem Beitrag springe ich gleich mal rüber zum Freutag.
Ich habe mit beim Lesen das eine oder andere Mal ein Grinsen nicht verkneifen können. Tatsächlich stand ich nur mal ganz kurz bei der Farbberatung und konnte mit dem Thema von vorneherein nicht viel anfangen, war aber natürlich neugierig. Im Prinzip beschreibst du im Großen und Ganzen meine Gedanken dazu, und daher habe ich mir das Geld und die Zeit gespart. Dass mir zum Beispiel Beige nicht steht hat mir meine Familie schon ganz klar gemacht 😉 Aber für Menschen, die empfänglich und offen dafür sind, ist eine Farbberatung vielleicht ganz hilfreich.
Sonnige Grüße,
Frau Mena.
Hallo Frau Mena,
hat vielleicht nicht jeder eine Familie oder gute Freundin, die einem den Spiegel vorhalten 🙂
Seien wir dankbar, dass wie sie haben.
Liebe Grüße
Christiane
Liebe Christiane,
ich bin auch der Meinung, dass eine Farbberatung eine Unterstützung und kein Diktat sein sollte. Man muss sich wohlfühlen, dann hat frau auch Ausstrahlung!
Meist greift man instinktiv zu den ‚richtigen‘ Farben.
Viele Grüße Marion
Hallo, ich habe eine Farbberatung gemacht und ganz so dogmatisch war es nicht. Bei einigen Farben konnte ich es klar sehen, dass diese mir nicht schmeicheln, aber im Großen und Ganzen spürt man die Farbe und wenn man strahlt, dann dämpft vielleicht die ein oder andere Farbe und manchmal fühlt man sich auch eher gedämpft…. Interessant finde ich das Thema allemal… Und alles was nur schwarz und weiß ist, ist nicht gut!