Und es begab sich – wie jedes Jahr seit nunmehr fast 30 Jahren –, dass sich eine Reihe befreundeter Familien samt Kindern aufmachte, um im Wald ihre Weihnachtsbäume zu schlagen. Selbstverständlich mit Einverständnis des Försters, der just in diesem Jahr die Preise von 10 auf 15 Euro pro Weihnachtsbaum (Größe egal) heraufgesetzt hatte.
Die Zusammenkunft läuft nach dem immer gleichen Ritual ab: Eine Autokolonne quält sich über matschige Waldwege, parkt am Rand des Waldes auf unebenem Untergrund. Man sucht eine Stelle, an der man gefahrlos mit dem mitgebrachten Brennholz ein Feuer machen kann. Und dann schwärmen die Familien aus. So auch im letzten Jahr.
Im Laufe der Zeit haben sich Eigenheiten herauskristallisiert. Wir sind in der Regel die schnellsten. Wir sehen einen geeigneten Baum und ehe er sich versieht, liegt er zum Abtransport bereit auf dem Anhänger. Andere brauchen deutlich länger, weil hinter nächsten Tanne ja noch eine viel schönere stehen könnte.
In diesem Jahr wurde eine Familie (Mutter, Vater, zwei erwachsene Kindern in den End-Zwanzigern) getrennt, weil die Mutter mit anderen Leuten, die sie lange nicht gesehen hatte, noch am Klönen war. „Geht nur schon mal“, beschied sie ihrer Familie, „ich komme gleich nach“. Doch Vater, Tochter und Sohn waren nicht mehr zu finden, fanden aber immerhin den perfekten Weihnachtsbaum. Schnell ein Foto gemacht und per WhatsApp an die Mutter geschickt. Diese gab per Smartphone ihr Einverständnis.
Das Ritual sieht vor, dass sich alle hinterher beim Feuer treffen, selbstgebackene Kekse essen, heißen Tee und Glühwein trinken, Weihnachtslieder singen und sich über das vergangenen Jahr austauschen, in dem man sich ja selten gesehen hat. Die besagte Familie war also wieder am Feuer vereint, aber leider ohne Baum. Das Ok der Mutter per WhatsApp war nicht angekommen und so kehrten die drei anderen Familienmitglieder unverrichteter Dinge wieder ans Feuer zurück, um sich dann glühweingestärkt und zu viert noch einmal auf die Suche nach dem perfekten Baum zu machen. Ob sie ihn gefunden haben und ob es derselbe war, den die drei bereits auserkoren hatten, ist nicht überliefert.
Andere Mütter, deren Kinder leider noch zwecks Studiums im Ausland weilten, hatten mehr Glück. Das Ok der Sprösslinge auf das per WhatsApp verschickte Foto der ausgesuchten Tanne, kam sofort, noch bevor die Väter die Säge angesetzt hatten.